Wednesday, April 11. 2007: „Im Inneren der Haut“ ist ein Buch, das Matthias Sindelar (Kapitän im Wunderteam) gewidmet ist, einem der wohl begnadetsten Mittelstürmer Österreichs und der Welt. Dem Autor Wolfgang Weisgram, der schon mehrfach über das Wunderteam geschrieben hat, ist hier ein großer Wurf gelungen.
Matthias Sindelar, der 1903 als Matej Šindeláø in Kozlov bei Jihlava zur Welt gekommen war, ist Österreichs legendärster Fußballspieler. In ihm verkörperte sich die „Wiener Schule“, die im „Wunderteam“ der frühen Dreißiger Jahre ihre wunderbare Gestalt gefunden hat. Matthias Sindelar zog nicht nur Fußballfans in seinen Bann. Der „Papierene“ – so wurde er seiner fast körperlosen Spielweise wegen genannt – überzeugte auch feinsinnige Ästheten davon, dass Fußball eine künstlerische Ausdrucksweise sein kann.
Sein rätselhafter Tod ein knappes Jahr nach dem „Anschluss“ machte ihn darüber hinaus zu einer Symbolfigur des Widerstandes. Alfred Polgar schrieb im Pariser Exil einen hymnischen Nachruf, Friedrich Torberg seine berührend naive „Ballade vom Tod eines Fußballspielers“: Er war ein Kind aus Favoriten – und hieß Matthias Sindelar – er stand auf grünem Plan inmitten – weil er ein Mittelstürmer war. Er spielte Fußball, und er wusste – vom Leben außerdem nicht viel – er lebte, weil er leben musste – vom Fußballspiel fürs Fußballspiel. Das Buch zeichnet Sindelars Leben nach, das sich sozusagen mit Haut und Haaren dem Innerdem des Fußballs verschrieben hat. Die Zeit und ihre Zudringlichkeit – vom Wiener Nachkriegselend bis zur europäischen Zwischenkriegsidiotie – hat aber das beinahe eremitische Leben unmöglich gemacht. Während Sindelar und seine Mitspieler den Fußball zu einer Kunstform verfeinerten, explodierte das Außerdem zur Tragödie. Und Sindelars erster Versuch, aus der Innenwelt des Balles in die Normalität eines x-beliebigen Lebens zu entkommen, scheiterte fulminant. Seine Existenz als Kaffeesieder lag im Schatten der „Arisierung“, sein erster Versuch, das Leben mit einer Frau zu teilen, endete mit dem Tod, der rätselhaft genug war, um seinerseits ein Symbol zu werden und so das Symbol Sindelar – Österreichs erster Österreicher – zu einer bis heute gültigen Form abzurunden.