Tranquillo Barnetta - Interview
Tuesday, October 16. 2007:
Auf dem Rasen gehört er regelmässig zu den besten Schweizer Fussballern, neben dem Rasen ist er «everybodys darling». Ein Gespräch mit Tranquillo Barnetta über Tranquillo Barnetta. (Bild: wikipedia.de, Reto Stauffer, Tranquillo Barnetta im Spiel gegen Brasilien)
Auf dem Rasen gehört er regelmässig zu den besten Schweizer Fussballern, neben dem Rasen ist er «everybodys darling». Ein Gespräch mit Tranquillo Barnetta über Tranquillo Barnetta. (Bild: wikipedia.de, Reto Stauffer, Tranquillo Barnetta im Spiel gegen Brasilien)
«rotweiss»: Tranquillo Barnetta, wenn Sie nach dem «Turnier der Kontinente» in Österreich das Schweizer EURO-Barometer stellen müssten, welchen Stand würde es anzeigen?
Tranquillo Barnetta: Ich würde noch immer sagen, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Aber die Eindrücke aus der zweiten Halbzeit gegen Japan zeigten auch, dass es gut ist, wenn wir noch etwas Zeit haben bis zur EURO. Es kann nicht sein, dass wir so aus dem Konzept geraten wie gegen Japan.
Ohne, dass Sie viel hätten ausrichten können, kippte der Match in der zweiten Halbzeit, für die Sie eingewechselt wurden, komplett. Was ist da passiert?
Schwer zu sagen. Der Gegner musste etwas unternehmen. Die Japaner kamen auf, und wir liessen sie aufkommen. Da ist es für jeden Gegner nicht mehr so schwer, die Räume zu finden. Das war nicht gut, damit können wir nicht zufrieden sein. Natürlich hatten wir unsere Chancen, meinen Kopfball an den Pfosten, aber insgesamt sind wir nicht mehr gut gestanden. Und wenn man dann noch den Ausgleich schafft, sollte man nicht in der Nachspielzeit noch diesen Konter einfangen.
Gemessen an Ihrem Formstand scheint es so, als könnte die EURO bereits beginnen.
Ich freue mich natürlich, wenn es mir gut läuft, aber diese Feststellung scheint mir doch ein wenig übertrieben zu sein. Ich bin froh, haben wir noch ein paar Monate Zeit.
Aber Sie spüren doch auch einen Unterschied im Vergleich zum vergangenen Jahr?
Ja, sicher. Ich bin im Vergleich zur Zeit nach der WM wieder in der Verfassung, die auf meine Spielart zugeschnitten ist. Ich hatte im Sommer vier Wochen Ferien und konnte danach die ganze Vorbereitung mitmachen. Das sieht man heute.
Kommt Ihnen denn neben der Pause mittlerweile auch das System in der Nationalmannschaft mit einem Stürmer und ausgeprägterem Flügelspiel entgegen?
Auch das ist ein Punkt, und gerade in meinem Fall gibt es auch kaum Veränderungen zum Spiel im Club. Auch bei Bayer Leverkusen spiele ich auf der linken Seite, ich muss mich kaum umgewöhnen, wenn ich mit der Nationalmannschaft spiele.
Sind Sie auch darum offensiv so wirkungsvoll, weil Sie mit einer «Doppelsechser-Lösung» von gewissen defensiven Aufgaben befreit werden?
Ich denke, es gibt auch so für jeden Spieler noch genügend Arbeit für die Defensive. Nehmen wir das Spiel gegen Holland; da war unsere Stärke, dass wir alle auch an die Verteidigung gedacht haben. Das war der Grundstein zum Sieg. Auch klappt die Abstimmung mit Ludovic Magnin sehr gut.
Er ist quasi Ihr persönlicher Abwehrchef?
Wenn man so will. Er sagt mir auf jeden Fall, was ich zu tun habe
Denken Sie, die Lösung mit zwei defensiven Mittelfeldspielern und nur einem Stürmer passt am besten zum heutigen Angebot an Schweizer Nationalspielern?
Es ist sicherlich eine gute Möglichkeit, was nicht heisst, dass wir nicht auch mit zwei Spitzen spielen können. Wenn ich daran denke, dass Alex Frei jetzt wieder fest ins Team reintegriert wird, dann bin ich sicher, dass wir auch mal in einem Spiel wieder einen Test mit zwei Stürmern absolvieren werden. So wie bei uns in Leverkusen, da haben wir auch den einen oder anderen Systemwechsel während der Saison gemacht. Es schade ja auch nichts, wenn man als Mannschaft zwei Systeme beherrscht.
Ihr Spiel wirkt reifer, gehaltvoller - eine Frage auch des Alters?
Ich weiss es nicht, ob es eine Frage des Alters ist. Ich nehme mir einfach vor, jeweils alles aus mir herauszuholen. Das hat zum Beispiel an der WM in den Gruppenspielen gut funktioniert - nur gegen die Ukraine in den Achtelfinals, da waren wir platt. Daran müssen wir ansetzen.
Wie soll das konkret geschehen?
Man muss sich klar darüber sein, dass man im Fussball nicht in vier Spielen hintereinander über sich hinauswachsen kann. Vier Top-Leistungen in Folge sind sehr schwierig zu erbringen. Also müssen wir eine Form finden, wie wir unsere Qualitäten so einbringen können, dass wir nicht über dem Limit spielen müssen, um zu gewinnen. So wie es uns zum Beispiel in Wien gegen Chile gelungen ist.
Das würde bedeuten, dass die Schweiz nach Ihrer Definition gegen Holland über sich hinausgewachsen ist.
Die Partie gegen Holland war aus unserer Sicht ein sehr, sehr guter Match. Ich würde sagen, wir spielten da am und bisweilen sogar über dem Limit. Aber wenn wir ehrgeizig sind, dann müssen wir diese Leistung zum Massstab erklären. Das wird nicht einfach sein, aber wir haben gezeigt, was wir können.
Der Sieg gegen die Holländer wird sicherlich dazu beigetragen haben, den Stellenwert des Schweizer Fussballs in Deutschland zu erhöhen, nachdem Alex Frei und Marco Streller dessen Stellenwert zuletzt mit dem der Fidji-Inseln verglichen haben.
Naja, wir Schweizer werden in Deutschland weiterhin Schweizer sein, ich fühle uns durchaus anerkannt, auch wenn wir natürlich nie Brasilianer sein werden. Aber grundsätzlich passen Schweizer Fussballer recht gut nach Deutschland, und wenn ich sehe, dass mittlerweile neben 15 Deutschen und einem Holländer schon zwei Schweizer als Trainer in der Bundesliga arbeiten (Marcel Koller in Bochum, Lucien Favre in Berlin; die Red.), dann ist das auch nicht schlecht.
Ist denn Deutschland für Sie mehr Weg oder mehr Ziel?
Für mich persönlich bleiben die drei europäischen Top-Ligen in England, Italien oder Spanien ein grosser Traum. Aber ich habe noch lange Zeit, um ihn mir zu erfüllen. Mein Vertrag in Leverkusen läuft bis 2010
und das Schaufenster EURO öffnet sich im Sommer 2008.
Man weiss nie, was passiert.
Apropos EURO - spüren Sie eigentlich so etwas wie Vorfreude in der Schweiz?
Nun gut, auf der Strasse ist von der EURO noch nicht allzu viel zu spüren. Aber wenn ich den Menschen zuhöre, dann merke ich doch, wie sie sich freuen auf den Anlass.
Ich bin sicher, dass spätestens nach der Gruppenauslosung Anfang Dezember eine nächste Stufe erreicht wird in Sachen Vorfreude. Und nächstes Jahr gehts richtig los. Davon bin ich überzeugt.
War aus Ihrer Erinnerung die Stimmung in Deutschland vor der WM anders?
Nein, ganz bestimmt nicht. Ich würde sogar sagen, dass die Zeit vor der WM mit all den Diskussionen rund um Klinsmann und die Mannschaft sehr speziell und eher frei von Freude war. Die eigentliche Begeisterung für die WM 2006 kam erst mit dem Turnier - und was die Deutschen betrifft sogar erst mit dem zweiten Gruppenspiel, dem 1:0 gegen Polen. Bis zu jenem Zeitpunkt hatte ja auch die Presse mächtig Gas gegeben gegen das Team. Auch darum bin ich froh um unseren Sieg gegen Holland: Es ist doch gut, wenn die Presse ruhig ist.
Aber die Presse betreibt letztlich ja auch Werbung für Ihr grosses Ziel.
Ich will ja auch keine Medienschelte betreiben. Schliesslich kann man in der Presse heute auch am besten schon sehen, dass etwas Grosses vor der Tür steht. Ich denke da auch an die Werbung. Die richtet sich eindeutig schon jetzt auf die EURO aus.
und auf vielen EURO-Inseraten sieht man Tranquillo Barnetta, den scheinbar beliebtesten Schweizer Werbeträger.
Stimmt, ich habe ein paar Einzelverträgte, und dann gibt es noch ein paar Engagements mit den Sponsoren der Nationalmannschaft. Grundsätzlich habe ich kein Problem damit, es gilt einfach, sich richtig darauf einzustellen.
Wie sieht Ihre Werbestrategie aus?
Ich habe keine Strategie im engeren Sinn. Ich prüfe einfach mit meinem Vater jede Anfrage, die kommt - und dann sage ich dort Ja, wo ich mich auch identifizieren kann. Ich will nicht alles machen, nur weil ich mit Werbung etwas dazuverdienen kann; ich habe auch schon Nein gesagt.
Wofür wollten Sie denn zum Beispiel Ihren Kopf nicht hinhalten?
Unlängst kam eine Anfrage, ob ich für ein Toilettenpapier werben wollte. Da habe ich abgesagt - nicht weil ich gegen das Produkt war, sondern weil ich mich in diesem Umfeld einfach nicht positionieren wollte.
Es sieht so aus, als wären Sie wirklich «everybodys darling», dass man Sie sogar mit auf die Toilette nehmen sollte.
Ich denke schon, dass ich bei den Leuten gut ankomme. Sie identifizieren sich mit mir und meinem Spiel, und ich bin ja auch noch nicht gross negativ aufgefallen. Ich habe auch kein Verlangen danach, ich fühle mich wohl in meiner skandalfreien Zone.
Ihr Vater prüft mit Ihnen eingehende Werbeanfragen. Vertrauen Sie voll und ganz auf ein «Familienmanagement»?
Ich bin froh, dass mein Vater und auch mein Bruder mir in Sachen Vermarktung behilflich sind. Es gab auch Anfragen von Agenturen, die sich um mich kümmern wollen. Aber ich greife primär im sportlichen Bereich auf professionelle Hilfe zurück. Wolfgang Vöge und auch Vinicio Fioranelli sind sehr erfahrene Leute im Geschäft. Und ganz sicher überschneiden sich die Bereiche Fussball und Vermarktung dort, wo es um Verträge geht.
Eine letzte Frage: Die Schweiz spielt im Oktober wieder gegen Österreich. Haben Sie das goldene Trikot vom letzten Spiel, dem 1:2 in Innsbruck, noch?
In meinem Kasten befinden sich fein säuberlich aufgehängt eingetauschte Trikots von der WM 2006 oder dasjenige von Zidane aus einem WM-Qualifikationsspiel. Es ist eine kleine, feine Sammlung. Das goldene Ding habe ich kürzlich auch wieder entdeckt. Es liegt im gleichen Kasten, aber unten hinten links. (Interview geführt von rotweiss24.ch, Quelle: football.ch)
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